Seit dem Kauf leuchtet im Kombiinstrument die Kontrolleuchte für das Bremssystem. Diese sollte nur leuchten wenn die Handbremse angezogen ist, zu wenig Bremsflüssigkeit im System ist oder wenn die Bremsen runtergefahren sind. Die erste Maßnahme nach dem Kauf war sämtliche Flüssigkeiten zu tauschen; auch die Bremsflüssigkeit. Letztes Jahr wurden auch alle vier Bremsen erneuert. Trotzdem geht, wenn ich die Handbremse löse das Kontrollicht nicht aus.
Die Werkstatt hatte nicht explizit nach dem Fehler gesucht, und hatte ihn einfach beim Handbremsschalter vermutet. Deshalb wurde dieser im Zuge einer anderen Reparatur ausgetauscht. Der Fehler blieb leider trotzdem. Nachdem ich sonst keine Auffälligkeiten am Fahrzeug bemerkt hatte, und ich den Wagen mit frischem TÜV gekauft hatte, war mir das erstmal Wumpe und ich bin so weiter gefahren. Nun sind aber die zwei Jahre rum und die HU steht an. Leider gibt es mit diesem Defekt keine Möglichkeit durch die HU zu kommen. Also musste ich diese Sache nun angehen. Es gab eine Menge Theorien von einer Menge schlauer Kollegen durch was dieser Fehler hervorgerufen werden könnte. Eine davon war, dass das Kombiinstrument den bekannten "Glimmfehler" haben könnte und das Leuchten ein Glimmfehler ist. Also habe ich ein gebrauchtes Kombielement bei ebay gekauft. Dieses kam eine Woche später mit einem gebrochenen Frontglas woraufhin ich den Kaufpreis zurückerstattet bekam. Leider war der Fehler nach dem Einbau immernoch da. Zum Glück war das Teil umsonst gewesen.
Eigentlich wäre ich der Typ gewesen, der sein Womo in die Werkstatt fährt und sagt "...viel Spass damit...". Aber nun ist da mein Schrauberkollege Kevin, der sich sicher war, dass wir das hinbekommen. Wie konnte ich da widerstehen? Also haben wir uns vorgenommen das Ganze an einem Wochendende durchzuziehen. Da ich weder Elektroniker noch KFZ-Mechaniker bin wusste ich zwar nicht was ich beitragen kann, aber egal. Selbst wenn ich nur unsere Biere und die Moral hochhalten würde, dann wäre das ja schon mal etwas. Mit Kevin als Elektro-Ingenieur an meiner Seite werden wir das Kind schon schaukeln.
Tag 1.
Ohne großes Vorwissen zu diesem Thema haben wir als erstes mal alle Verkleidungen abgeschraubt und den Kabelbaum auf der Fahrerseite freigelegt. Dann haben wir uns als erstes das Handbremskabel vorgeknöpft. Wir haben das Kabel bis zum Sicherungskasten verfolgt und nach sichtbaren Beschädigungen gesucht. Da war nichts zu sehen. Also haben wir das Kabel vom Handbremsschalter bis zum Sicherungskasten durchgemessen. Das Kabel schien voll funktionsfähig zu sein und auch der Handbremsschalter tat was er sollte. Aber ab hier begann im Prinzip unser Blindflug. Da wir vermuteten, dass auch der Bremssflüssigkeitssensor auf der selben Sicherung liegen müsste, haben wir dort den Stecker abgezogen und erstmal die Kontakte überbrückt. Kein Erfolg. Da Kevin den gleichen Sevel hat haben wir auch immer bei seinem Wagen gemessen um Vergleichswerte zu bekommen. Die Messwerte waren am Sensor identisch aber an der Zuleitung unterschieden sich die Ergebnisse: die Masse war ok aber eine Widerstandmessung gegen Wagenmasse am Leitungsende der Plusleitung im Motorraum zeigte einen Masseschluss an. Da aber mehrere Systeme auf der gleichen Sicherung lagen, konnte der Masseschluss auch dort liegen. Wir haben dann anhand der Farbkodierung versucht rauszufinden wo das Kabel aus dem Motorraum in den Sicherungskasten ging. Das haben wir durchtrennt und dann einen Bypass in den Motorraum gelegt. Leider wieder ohne Erfolg. Wir tappten da echt im Dunkeln so lange wir keine Ahnung bzgl. der Steckerbelegung hatten. Also kamen wir auf die Idee eine Reparaturanleitung zu bestellen. Erst dann würden wir weitermachen.
Als die CD-Rom kam haben wir natürlich direkt ermittelt. Über einen Whatsapp-Videocall haben wir die Diagnoseanleitung besprochen ehrlich gesagt sah es nicht gut aus. Irgendwie stand am Ende der Diagnose, der Bodycomputer müsste ausgetauscht werden. Gut, das muss getestet werden.
Einen Corona Lockdown später.
Mit einem Ausdruck und dem Laptop mit CD-Rom bewaffnet wollten wir uns nach der wochenlangen Zwangspause das Cruisemobile wieder vorknöpfen. Aber erst haben wir in meiner Werkstatt mal das kürzlich gekaufte und nicht mehr benötigte Kombiinstrument geöffnet um zu sehen was darin los ist. Eventuell könnte man im Notfall, wenn wir den Fehler nicht finden sollten, etwas faken. Dann sind wir an das immernoch zerlegte Cruisemobile und haben nochmal alles gemessen. Nur heute konnten wir exakt lokalisieren wo welche Leitung hingeht, da wir von der CD-Rom die PIN-Belegungen wussten. Nach einer Vielzahl von Messungen von denen ich so Manche nicht nachvollziehen konnte, deutete Vieles auf das Steuergerät hin, so wie es auch in der Diagnosanleitung stand. Da wir durch die CD-Rom wussten, dass ab dem Bodycomputer die Signale per CAN-BUS auf digitalem Wege übertragen werden war uns klar, dass das Problem entweder vor oder im Bodycomputer sein musste. Wir kamen auf diese Theorie, da das Problem eher elektrisch als elektronisch ist. Wäre es ein defektes Kabel auf dem digitalen CAN-BUS gewesen, dann wären von diesem Defekt viele Funktionen betroffen gewesen, da über diesen Bus mehrere Funktionen seriell übertragen werden. Unser Problem war aber so speziell, dass dies über eine dezidierte Leitung speziell für diese Funktion hervorgerufen werden musste, also war es ein elektrisches Problem.
Also war der nächste Step, den Sicherungskasten und den Bodycomputer zu öffnen und nachzusehen ob da irgendwas verbrutzelt ist. Der Sicherungskasten und der Bodycomputer, sind zwei separate Bauteile in separaten Gehäusen die aber direkt aufeinander aufgesteckt werden und wirken auf den ersten Blick wie ein Bauteil. Wir haben alle Sicherungen und Relais abgezogen, beide Bauteile geöffnet und begutachtet, konnten aber keinerlei Auffälligkeiten entdecken. Auch kalte Lötstellen waren mit dem Auge nicht zu erkennen. Nach einigem Überlegen kamen wir erneut zu dem Schluß, dass das Problem nicht hier liegen dürfte. Also haben wir nochmals das Messgerät ausgepackt und gemessen. Nachdem das Handbremskabel schon beim letzten Mal geprüft wurde haben wir noch die Idee gehabt den Bremsverschleißsensor zu prüfen. Kevin hatte ihn abgezogen aber das Problem war immer noch.
Nun blieb nur noch der Bremssflüssigkeitssensor. Diesem hatten wir zwar beim letzten Mal einen Bypass verpasst, aber der Fehler bestand ja trotzdem noch. Bei erneuter Prüfung mit Hilfe der CD-Rom haben wir diesmal aber festgestellt, dass wir beim letzten Mal die Plusleitung auf dem falschen PIN des Sicherungskasten vermutet hatten. Somit war unser Bypass totaler Bogus. Nun hatten wir den Bypass erneut gelegt, aber diesmal am richtigen PIN. So jetzt wirds spannend: Zündung an, Handbremse gelöst und – oh Mann – die Bremskontrollleuchte ist AUS! Sofort sind wir in freudiges Gebrüll ausgebrochen. Nochmal checken, ist die wirklich aus? Tatsächlich! Aber halt: der Verschleißsensor ist noch abgesteckt. Was hat nun den Fehler ausgelöst? Der Verschleißsensor oder die Zuleitung zum Bremsflüssigkeitssensor? Nun musste der Sensor wieder angesteckt werden. Wenn dieser wieder angeschlossen ist und der Fehler trotzdem behoben ist, dann liegt der Fehler in der Zuleitung zum Bremsflüssigkeitssensor. Wenn der Fehler wieder da ist, ist der Verschleißsensor defekt. Nach dem Anstecken trat der Fehler tatsächlich nicht mehr auf, also war klar die Zuleitung zum Motorraum ist defekt und braucht einen permanenten Bypass. Die Leitung war wirklich von beiden Enden aus auf Wagenmasse gelandet und der PIN auf dem Steuergerät zeigt korrekterweise auch Masse an. Das hat uns ganz schön aufs Glatteis geführt.
Also haben wir im Motorraum nach einer Stelle gesucht wo wir mit dem neuen Kabel durch das Blech zur Fahrerkabine durchkommen. Ein frisches Loch bohren wollten wir nicht. Durch eine kabelführende Tülle durchstechen wollten wir auch nicht weil wir Angst hatten wir könnten dabei Kabel beschädigen. Dann haben wir die Tülle mit dem Bowdenzug für die Motorhaubenentriegelung gesehen und wussten, die können wir durchstechen ohne Schaden anzurichten. Doch leichter gesagt als getan: denn beim Durchstechen nach Innen haben wir die Tülle nach innen durch gedrückt und es hat echt gedauert diese von innen wieder in Position zu bringen. Aber dann mussten wir nur noch alles anschließen und nochmals testen. Unglaublich, aber der Fehler ist wirklich weg und alles funktioniert.
Da fiel eine riesen Last von mir ab. Wahnsinn.
Da bin ich Kevin echt sehr dankbar. Diese Scheisse hätte mich in der Werkstatt sicherlich 1000,-EUR gekostet. Und alleine hätte ich das niemals geschafft; nicht mal annähernd. Und unterm Strich hat die Reparatur nur ein paar Kabel, Aderendhülsen und Wagoklemmen gekostet. Die CD-Rom kann ich da jetzt nur zu einem geringen Teil einrechnen weil ich sicher bin, dass wir die ganz oft auch für andere Dinge nutzen werden. Happy End.
Die Komponenten die ich verwendet habe, sind:
- Reparaturanleitung auf CD-Rom
- Multimeter
- 1,5mm2 Kabel
- Aderendhülsen
- Wagoklemmen
Kommentar schreiben